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Jäger der verlorenen Klosterschätze

29-10-2017, 05:00

"Deutschland wurde geschlagen, wir alle haben verloren", sagte Charles de Gaulle nach dem Zweiten Weltkrieg. Das gilt auch für die Kunstgeschichte, wo Raffgier des Nazi-Regimes und Kriegswirren einen Scherbenhaufen hinterließen. Historiker sind noch heute damit beschäftigt, damals geraubten Kunstschätzen nachzuspüren. Die Geschichten, auf die sie dabei stoßen, haben mitunter das Zeug zum Kriminalroman. So wie jene, die von wertvollen Handschriften, vertriebenen Mönchen und einem gewaltigen Goldschatz handelt.

Das nö. Benediktinerstift Göttweig hoch über der Donau besteht seit mehr als 930 Jahren und hat manch dunkle Stunde erlebt. 1939 wurde es vom NS-Regime der Stadt Krems zugeschlagen, die Mönche wurden verjagt.

Foto: donau.com/Markus Haslinger 1939 wurden Göttweiger Mönche vertrieben, sie kehrten 1945 zurück Wo jahrhundertelang die Regel des hl. Benedikt Richtschnur des Handelns war, wurde nun Nazi-Nachwuchs nach den Lehren Adolf Hitlers geschult. Und die Stadt Krems folgte damals dem Aufruf, Kunstschätze für das geplante Linzer "Führermuseum" zusammenzutragen – darunter wertvolle Handschriften und historische Goldmünzen aus der im Barock angelegten Göttweiger Sammlung.

Als gegen Kriegsende die Alliierten immer weiter vorrückten, entschied das damalige "Institut für Denkmalpflege", wertvolle Kunstschätze im Altausseer Salzberg vor Bombardement und Zerstörung zu schützen. Auch zwei Holzkisten mit den Göttweiger "Manuskriptbänden" – 98 mittelalterliche Bücher – landeten dort. Am 27. April 1945 wurde jedoch entschieden, das Salzlager zu räumen. Die Lkw mit den Kunstschätzen kamen aber nicht mehr weit. Nach wenigen Wochen entdecken amerikanische Soldaten (siehe Zusatzbericht) ein Kunst-Depot in einem Gasthaus in Bad Ischl. Über die in München eingerichtete zentrale Sammelstelle für von den Nazis geraubte Kunstwerke gelangen die Handschriften schließlich zurück. Ein langwieriger Prozess: Am 23. Juni 1948 übernimmt der Kremser Stadtarchivar Fritz Dworschak die Manuskripten-Kisten vom österreichischen Bundesdenkmalamt.

Fehlendes Buch

"Ein Buch ist aber bis heute verschollen", weiß Bernhard Rameder, Kunsthistoriker im Stift Göttweig. Es handelt sich um einen sogenannten "Nekrolog", ein Totenbuch aus dem 18. Jahrhundert.

Foto: /Stift Göttweig Bernhard Rameder Man merkt Rameder dessen geweckten Spürsinn an, wenn er erzählt: "Nachdem das Buch 1947 zuletzt dokumentiert ist, hat es den Krieg überstanden und könnte sich heute in einem oberösterreichischen Kloster befinden, wohin es vielleicht irrtümlich gelangt ist." Rameders Recherchen laufen. "Aber wir suchen nicht danach, weil wir glauben, zu wenig zu haben. Wir wollen Licht in die Sache bringen."

Goldschatz

Was aber geschah mit den Göttweiger Goldmünzen? Sie sollten gemeinsam mit anderen geraubten Münzen – insgesamt 2200 Stück – von Altaussee auf den bayrischen Obersalzberg gebracht werden. Als der Nazi-Führung auch dieser Ort nicht mehr sicher scheint, gibt Reichsleiter Martin Bormann den Befehl, den Goldschatz entweder nach Südtirol, in die "Reichsfestung Tirol", zu bringen oder zu vernichten. Dazu kam es nicht mehr. Der mit der Rettung der Münzen Beauftragte ließ den Goldschatz an den Erzbischof von Salzburg aushändigen. Allerdings nicht zur Gänze, wie amerikanische Kunstforscher 1946 feststellten: Knapp 400 Goldmünzen fehlten, darunter jene aus Göttweig. Ihr Verbleib ist bis heute nicht aufgeklärt.

Es waren vor allem die Amerikaner, die nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich nach geraubten Kunstschätzen und Kulturgütern suchten, um sie zurück an die entsprechenden Orte zu bringen. Im Film "Monuments Men" widmete sich Hollywood dem Thema. Regisseur und Hauptdarsteller George Clooney erzählt die Geschichte der "Monuments, Fine Arts and Archives Section" (MFAA), einer Abteilung der US-Armee zum Schutz von Kunstgütern.

Auch heute noch wird nach verschollenen Kunstschätzen gesucht. "Die fortschreitende Digitalisierung etwa von Museumsstücken macht uns die Suche mitunter viel einfacher", sagt Kunsthistoriker Bernhard Rameder. "So hat sich etwa vor zwei Jahren eine Schweizer Kunstsammlung bei uns gemeldet, weil sie etwas hatte, das ursprünglich aus Stift Göttweig stammt." An Rückkäufen sei man aber so gut wie nicht interessiert. Das ist vor allem auch den Preisen geschuldet. Ein Mozart-Autograf (eigenhändige Niederschrift, Anm.) etwa, versehen mit Göttweiger Stempel, sei in London um 800.000 Euro versteigert worden. "Da reicht uns, zu wissen, wo die Stücke heute sind."

Unbewegliche Kulturgüter, vor allem Bauwerke, werden gesondert geschützt und sind mit dem markanten blau-weißen Schild gekennzeichnet. Österreich zählt in diesem Bereich zu den führenden Nationen, einige der international gefragtesten zivilen wie militärischen Experten sind Österreicher. Seit 2015 gibt es an der Donau-Uni Krems auch ein eigenes "Zentrum für Kulturgüterschutz". Dieses Team unterstützt bei der Erstellung von Notfallplänen und richtet regelmäßig entsprechende Übungen aus.

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