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Aufgriffe an den Grenzen gehen stetig zurück

28-10-2017, 06:00

Bis Mitte Oktober wurden in Österreich rund 22.000 geschleppte Personen aufgegriffen. Im gesamten Jahr 2016 waren es noch 50.584 Aufgriffe; 2015 knapp 94.300 – die Zahlen gehen drastisch und stetig zurück. Laut Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) kommen drei Viertel der Personen über die Balkanroute, daher sind vor allem die süd-östlichen Grenzen im Fokus der Schlepper.

Um die illegale Zuwanderung unter Kontrolle zu bringen, steht das Bundesheer seit August 2015 im Assistenzeinsatz der Polizei zur Seite. Genau 998 Soldaten sind derzeit an Österreichs Grenzen stationiert und unterstützen die Exekutive bei Einreisekontrollen. Konkret ist das Bundesheer im Burgenland, der Steiermark, Kärnten und Tirol vor Ort, wobei die Grenzkontrollen in allen Bundesländern verschieden aussehen. Während an Burgenlands Grenzübergängen die meisten Kompanien im Einsatz sind und dort an fixen Punkten kontrollieren (siehe Reportage rechts), gibt es in Tirol nur Schwerpunktaktionen: "Es gibt Kontrollen in Zügen oder Schwerpunkte auf den Autobahnen. Wann die Kontrollen stattfinden, variiert von Tag zu Tag und hängt zum Beispiel auch von der Verkehrslage ab", sagt die Pressesprecherin der Tiroler Polizei Sabine Reinthaler.

Polizei leitet Einsatz

Wo, in welcher Form und wie viele Soldaten eingesetzt werden, hängt nicht vom Heer, sondern von der Exekutive ab. "Es ist ein Assistenzeinsatz und wir richten uns daher nach der Polizei", heißt es aus der Pressestelle des Bundesheeres.

Seit die Kontrollen im Burgenland und der Steiermark bekannt sind, versuchen immer mehr Schlepper über Niederösterreich aufs Bundesgebiet zu gelangen. "Wir führen seit Mitte August verstärkt Schwerpunktaktionen im Grenzbereich zur Slowakei, also auf der A4 im Bezirk Bruck an der Leitha, durch. Dort können wir vermehrt Aufgriffe verzeichnen", sagt der niederösterreichische Polizeisprecher Johann Baumschlager.

115 Polizisten sind in Kärnten im Grenzeinsatz, 20 Ermittler stehen für die fachliche Bearbeitung von aufgegriffenen Personen zur Verfügung. Die Kontrollen zu Slowenien finden permanent statt, wobei die Übergänge in Kategorien von eins bis vier unterteilt sind.

"Kategorie eins wäre zum Beispiel der Karawankentunnel, wo ein hohes Verkehrsaufkommen herrscht und viele internationale Reisende anzutreffen sind. Dort kontrollieren wir permanent", sagt der Leiter der Grenzkontrollen Alfred Fina. Die Einsatzkräfte des Bundesheeres unterstützen die Kollegen nur, was laut Fina gut funktioniert. Es herrsche gegenseitiger Respekt.

Wie die Grenzkontrollen in Zukunft aussehen werden, wird die nächste Regierung entscheiden. Noch-Verteidigungsminister Doskozil hielt vor der Wahl eine "Null Zuwanderung" – wie sie im Wahlkampf diskutiert wurde – für unrealistisch, weil "dies Österreich alleine nicht mit nationalen Maßnahmen durchsetzen kann".

Kompetenzverteilung

Ob es in der nächsten Legislaturperiode zu einer Neuverteilung der Sicherheitsagenden zwischen Polizei und Heer kommt, will das Innenministerium nicht kommentieren. Debattiert wird darüber hinter den Kulissen schon länger. Offiziell sagen beide Seiten nur so viel, die Zusammenarbeit funktioniere derzeit sehr gut. Gemeint sind neben dem Grenzschutz die Überwachung kritischer Gebäude, die Terrorbekämpfung sowie der Kampf gegen Cyber-Kriminelle. In diesen Bereichen sind Bundesheer und Polizei bereits eng vernetzt – aber eben immer nur im Rahmen eines Assistenzeinsatzes.

Liebe KURIER-Leser: Heute fragen wir Sie auf kurier.at: "Sollten fixe Grenzkontrollen wieder eingeführt werden?" Stimmen Sie mit. Uneinig sind sich die KURIER-Leser zur Frage vom Freitag: Nur 50 Prozent glauben, dass in der kommenden Legislaturperiode 13 Milliarden Euro Steuerentlastung schaffbar sind.

 

Sechs Schengenländer kontrollieren weiter

Der Traum von der schrankenlosen Reisefreiheit innerhalb Europas wird in den nächsten Monaten nicht so richtig wahr. In genau zwei Wochen, am 11. November, hätte eigentlich Schluss sein sollen mit den außertourlichen Kontrollen an den Binnengrenzen. Die hatte die EU-Kommission Österreich, Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen (kein EU-Mitglied, aber ein Schengenland) nach der Flüchtlingskrise  2015 vorübergehend zugestanden.

Nun gebe es keinen Grund mehr für Kontrollen, moniert man in Brüssel: Die Schengen-Staaten müssten wieder zur Normalität zurückkehren, zumal die EU-Außengrenzen nach dem Chaos der großen Flüchtlingsströme wieder unter Kontrolle seien.

Doch tatsächlich dürften die Binnengrenzkontrollen fortgesetzt werden – wenn auch unter anderen Vorzeichen. Die neue Begründung  lautet: Gefährdung der inneren Sicherheit oder ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung.

Dafür mussten die fünf Staaten jeweils eine Risikoanalyse der Lage an die EU-Kommission abliefern. Mit einer Reform des Schengener Grenzkodex’ wäre es dann möglich, das Beispiel Frankreichs in ähnlicher Form auch in Deutschland, Österreich, Norwegen, Schweden und Dänemark anzuwenden: Auf Rechtsgrundlage der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sowie der erhöhten Terrorgefahr kontrolliert Frankreich seit den Attentaten von Nizza und Paris seine Binnengrenzen.

Bei Zustimmung durch die EU-Kommission können die Staaten, wie es derzeit aussieht, ihre Binnengrenzen zunächst  noch einmal um sechs Monate  länger kontrollieren. Sollen die Kontrollen dann abermals um zwei weitere Jahre ausgedehnt werden, wird es  schwieriger. Dann müssen auch die anderen EU-Staaten und das EU-Parlament zustimmen.

Foto: /Bundesheeer/Minich Mit einem Handzeichen stoppt der Soldat ein Auto.  „Ausweise bitte“, sagt er freundlich. Gemeinsam mit der Polizei steht er beim Grenzübergang Rechnitz, Bezirk Oberwart. Die beiden Autoinsassen zeigen die Pässe und dürfen weiter fahren. Eigentlich sind die Grenzen offen. Doch  seit 2015 ist das Bundesheer nach einem Ministerratsbeschluss im Sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz.
 „Wir sind  seit 28. September mit unserer Kompanie hier stationiert“, erklärt  Kompaniekommandant Oberleutnant Thomas Ackermann. Im Schichtbetrieb wird von den 126 Soldaten  der  3. Assistenz Kompanie die Grüne Grenze kontrolliert, in enger Kooperation mit der Polizei.
Neben den Patrouillen gibt es auch einige Spähposten.  Ein grünes Zelt steht mitten am Weinberg zwischen Kellern und Weingärten. Von dort wird in der Nacht mit einem Wärmebildgerät die Grenze überwacht.   „Die Hälfte unserer Leute ist in der Nacht im Einsatz“, erklärt Ackermann.  Die Aufgriffe in den südlichen Bezirken lassen sich allerdings an einer Hand abzählen. „90 Prozent der Aufgriffe sind rund um Nickelsdorf, der Rest im Mittelburgenland, hier erwischen wir nur ab und zu Einzelpersonen“, weiß Ackermann.   

Hotspot

Im Nord- und Mittelburgenland sind rund 350 Soldaten im Einsatz. Mit modernstem Gerät wird die Grenze rund um die Uhr überwacht. „Wir haben im Norden das neue Bodenüberwachungsradar ,Beagle’“, erklärt Presseoffizier Oberstleutnant Andreas Jordanich. Das System könne von zwei Soldaten in Rucksäcken transportiert werden und dient dazu, „bodennahe Ziele“ zu erfassen.  

Die Truppe ist im Norden auch mit zwei Aufklärungsfahrzeugen „Husar“ ausgestattet. Mit den Nachtsichtgerät des Fahrzeugs kann die Besatzung Personen  auf bis zu 4,5 Kilometer Distanz erkennen. Auch Drohnen zur Grenzraumüberwachung sind im Einsatz.
Im Südburgenland sind es vor allem die Soldaten, die zu Fuß die grüne Grenze sichern. „Unsere Trupps sind mit Nachtsichtgeräten ausgestattet“, sagt Ackermann.    „Es ist wie damals, beim alten Grenzeinsatz“, sagt Vizeleutnant Wolfgang Buxbaum. Durch den Assistenzeinsatz der von 1990 bis 2011 dauerte, „ist die Zusammenarbeit mit der Polizei hervorragend“, erklärt Jordanich. Man sei immer noch eingespielt. Lob kommt auch von der burgenländischen  Exekutive, die sich mit rund 400 Beamten im ständigen Grenzeinsatz befindet.  Nach der Hochphase der Flüchtlingsbewegung 2015, sei man jetzt besser vorbereitet. „Im Notfall können wir die Registrierungsstellen wieder aufleben lassen“, erklärt Polizeisprecher Helmut Greiner. Auch im Südburgenland seien die Vorbereitungen für einen Zaun abgeschlossen, der in kurzer Zeit aufgestellt werden kann. Mehr als 120 neue Beamte wurden eigens für den Grenzeinsatz ausgebildet. „Die verdienen sich jetzt ihre ersten Sporen“, sagt Greiner.
Die Soldaten der 3. Assistenz Kompanie sind noch bis 28. Dezember im Südburgenland im Einsatz. „Weihnachten verbringen wir noch hier, dann kommt die Ablöse“, sagt der Oberleutnant.  Den Einsatz stellt er nicht in Frage. Wird hier nicht kontrolliert, würden die Schlepper den Umweg übers Südburgenland in Kauf nehmen. Bei der Bevölkerung stärke man so das subjektive Sicherheitsgefühl.   Für die Burgenländer sind Soldaten an der Grenze ein gewohntes Bild.    „Mich stört das Bundesheer nicht“, sagt eine Rechnitzerin.

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