
Gehört der Islam für Sie zu Österreich? Sehen Sie Muslime als relevante Wählergruppe? Und wie stehen Sie zur Ungleichbehandlung der Muslime im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften – etwa durch das neue Islamgesetz oder die Diskriminierung Kopftuch-tragender Frauen? Diese und eine Reihe weiterer Fragen .
Die Antworten sollen wahlberechtigten Muslimen in Österreich als Orientierung dafür dienen, was sie von den jeweiligen Politikern nach dem 15. Oktober zu erwarten haben. Es geht um ein nicht zu unterschätzendes Wählerpotenzial: Hat Schätzungen zufolge von den bundesweit rund 700.000 Muslimen doch ein gutes Drittel die österreichische Staatsbürgerschaft.
Nun liegen die Reaktionen zum Teil vor. Zumindest von Kanzler Christian Kern (SPÖ), FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, Grünen-Kandidatin Ulrike Lunacek und NEOS-Chef Matthias Strolz. Ob auch von Peter Pilz und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) Antworten kommen, war bis zuletzt nicht klar.
So erklärte etwa Kanzler Kern, dass der Islam „selbstverständlich“ zu Österreich gehöre. Derselben Meinung sind auch Lunacek und Strolz. Bei der FPÖ dagegen meint man: „Der Islam als solcher gehört nicht zu Österreich. Weder historisch noch kulturell, noch ist er in irgendeiner Weise Teil Europas.“ Muslimische Mitbürger seien jedoch „ein Teil Österreichs“.
Punkto relevante Wählergruppe meint Kern, er mache Politik „für alle Menschen dieses Landes – egal welcher Herkunft oder Religion“. Lunacek sagt, sie werbe „um all jene Menschen, die die grünen Grundwerte teilen: selbstbestimmt, solidarisch, feministisch, ökologisch, basisorientiert und gewaltfrei.“ Und auch die NEOS „unterscheiden zwischen BürgerInnen nicht anhand ihrer Religion“. Die FPÖ beantwortet die Frage dagegen nicht direkt, sondern fordert ein neues Islamgesetz, „das Islamismus und seinen Hasspredigern einen Riegel vorschiebt“. Leidtragende des Status-quo seien liberale Muslime, meint Strache, der neben der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) gern eine zweite liberalere Vertretung der Muslime sehen würde.
Die Frage nach der Ungleichbehandlung von Kopftuchträgerinnen am Arbeitsmarkt beantworten Kern, Lunacek und Strolz im Prinzip ähnlich: Diskriminierung aufgrund der Religion sei prinzipiell abzulehnen. Während Kern aber das „Neutralitätsgebot für Polizistinnen, Richterinnen und Staatsanwältinnen“ thematisiert, lehnen Grüne und NEOS ein generelles Kopftuchverbot ab.
Das Islamgesetz, sagt Kern, sei in „intensiver Zusammenarbeit mit der IGGÖ diskutiert“ worden. Lunacek erklärt, es sei erneuert worden, weil die ursprüngliche Fassung von 1912 „nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten und Anforderungen entsprach“. Sie begrüße die Modernisierung, findet aber die Betonung „dass die staatliche Rechtsordnung zu achten“ sei diskriminierend. Die NEOS sehen im Islamgesetz „keine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften“.
Strache bestätigt zwar Unterschiede, die das Islamgesetz mache, begründet diese aber mit „jenen besonderen Gegebenheiten, die mit der muslimischen Religionsgemeinschaft einhergehen“. Bei anderen Religionen bestehe zum Beispiel „eine weitaus kleinere Einflussnahme aus anderen Nationen“. Kopftuch und Burka seien „zweifelsohne als Zurschaustellung religiöser Symbole zu orten“.
Die Antworten der Spitzenkandidaten lässt die IMÖ nun durch Rechtswissenschaftler Richard Potz sowie durch Astrid Mattes von der Plattform „Religion and Transformation in Contemporary Society“ analysieren. Die Ergebnisse will man über Facebook, Twitter und andere Kanäle an die muslimische Community und die Öffentlichkeit kommunizieren.
Für IMÖ-Obmann Tarafa Baghajati findet vor allem die Einstellung der FPÖ problematisch. Zum einen sei die Aussage, dass der Islam weder Teil Österreichs, noch Europas sei „historisch falsch“ und stehe zudem „im Widerspruch zu jedem Realitätsbezug“. Zum anderen bewege sich Strache, der als einziger zur Ungleichbehandlung durch das Islamgesetz stehe, „außerhalb der Verfassung“. Zu begrüßen sei dagegen, dass „die anderen drei Anerkennungsstatements abgegeben haben“.
Als Wahlempfehlung für eine bestimmte Partei will man bei der IMÖ die Aktion nicht verstanden wissen. „Wir rufen aber alle Muslime dazu auf, die Antworten zu studieren und am 15. Oktober an der Wahl teilzunehmen. Das ist eine Bürgerpflicht. Überhaupt in diesen Zeiten“, sagt Baghajati.
