
Mit einem - nicht rechtskräftigen - Freispruch hat am Freitagabend der Prozess gegen den steirischen Mediziner Eduard L. in Graz geendet. Für Prozessbeobachter eine Überraschung, .
Er werde sich erschießen, erhängen, ertränken. Mit solchen Drohungen ihres Vaters – den sie konsequent beim Vornamen nennt – sei sie aufgewachsen, erinnert sich Miriam. "Ich war vier, ich wollte in mein Zimmer. Auf einmal der Eduard vor mir und hält sich die Waffe an die Schläfe." Erschossen habe sich der Vater nicht, "offensichtlich", kommentiert Richter Andreas Rom am Freitag beim Prozess gegen den steirischen Arzt, der seine vier (damals noch minderjährigen) Kinder gequält haben soll. "Zum Glück", setzt der Richter nach. Die 23-Jährige schaut kurz auf: "Das war kein Glück. Als die Mama einmal die Polizei geholt hat, hab ich gehofft, dass sie ihn endlich einmal mitnehmen." Da war Miriam bereits 15.
Dr. Eduard L. blickt nicht auf den Bildschirm, während seine Kinder aussagen. Sie werden am Freitag in einem anderen Saal des Grazer Straflandesgerichts befragt, die Übertragung wird eingespielt. Was die drei Töchter und der Sohn schildern, klingt nach jahrelangem Psychoterror. "Die erste Erinnerung, die ich an ihn habe, ist: Er hat zu meiner Schwester und mir gesagt, wir sollen die Hosen ausziehen und uns am Hintern beschnüffeln", erzählt Miriam.
Zum Prozessauftakt im Februar gab L. zu, was nicht zu dementieren ist: Ein paar Watschen, die Selbstverstümmelungen, schimmlige Marmelade, die die Kinder hätten essen sollen. L., der mittlerweile nicht mehr praktizieren darf, gilt aber als zurechnungsfähig. Psychiaterin Adelheid Kastner attestiert dem 56-Jährigen zwar eine "Persönlichkeitsakzentuierung", aber keine Persönlichkeitsstörung.
Auch seine Neigung zu Selbstverstümmelungen gelten nicht als Persönlichkeitsstörung. Einmal solle er sich einen Schraubenzieher in den Bauch gerammt haben. Miriam musste ihn herausziehen. Ihr Bruder Josef habe dem Vater schwere Medikamente spritzen müssen. Der 19-Jährige sagt über den Vater: "Er ist eine sadistische, perverse Kreatur. Wenn er frei geht, bin ich überzeugt, dass es weitere Opfer gibt." Für Madlen, 27, ist das "psychische Vergewaltigung. Er ist manipulativ, kann gut lügen, er ist ein Schauspieler." Stephanie, 29, sagt, sie habe "dem Eduard" nicht mehr in die Augen schauen können: "Sein Blick war vernichtend." Und Miriam schluchzt: "Er war für mich nie normal. Da war nichts Schönes, auch wenn es nach außen hin so ausgeschaut hat."
Diese Fassade beschreibt auch die Zeugin Monja, die mit Eduard L. eine Affäre hatte: "Er ist jeden Sonntag in der ersten Reihe in der Kirche gesessen. Aber für mich ist er ein Psychopath: Ritzen, schneiden, einen Nagel in den Penis schlagen", zählt sie auf. Er habe sie ausgenutzt und zum gemeinsamen "Tod der Liebe" bewegen wollen. Richter Rom bremst sie ein: "Ich will hier nicht der sture Richter sein. Aber das ist nicht Gegenstand des Verfahrens."
Rolle der MutterDen Richter interessiert etwas anderes: Wie war die Rolle der Mutter in dieser Familienwelt? "Sie hat ihm geglaubt", sagt Miriam. "Er hat gesagt, die Kinder lügen. Und sie dachte, die Kinder haben etwas missverstanden. Das ist ja ein erwachsener Mann, der wird es besser wissen."
