Koffer packen, Kühlschrank ausräumen, Zeitung abbestellen, rein ins Auto, Autobahn, stundenlang nur Autobahn. Das Brummen der Lastwägen, das Surren des Wagens beim Beschleunigen und Bremsen, das Ticken des Blinkers, wenn man die Spur wechselt. Dann Schnellstraße, Landstraße, Bergstraße. Einparken, auspacken, einheizen, raus auf die Terrasse.
Und mit einem Mal ist es ganz still. Die Nacht kündigt sich an und am Berg sind die Nächte anders. Die Dunkelheit kommt plötzlicher und schneller, sie breitet sich in allen Ecken aus, rund ums Haus und im ganzen Dorf. Da und dort ist noch ein Fenster erleuchtet, aber es werden stündlich weniger. Die Lichtkegel der Scheinwerfer eines einsamen Autos verlieren sich in der Ferne. Sie biegen in eine Kurve ein. Dann sind sie ganz verschwunden. Keine Reklametafel blinkt, keine Straßenlaterne strahlt auf die Pfade, die auf den Gipfel hinauf führen. Die Nacht verschlingt alles hier oben. Und erst wenn sich die Stadtaugen an sie gewöhnen, sehen sie plötzlich die Sterne und das Licht des Mondes und der Schneefelder auf den Bergkuppen, die es reflektieren.
Die Dunkelheit der Nacht am Berg ist mir unheimlich. Und erst die Stille. Vor ein paar Tagen war ich nach einer langen Wanderung auf einer Almhütte, die am Ende des Tales liegt. Zu Füßen eines der vielen hohen Berge steht das alte Holzhaus, eingebettet in abschüssige Wiesen und Wälder.
Der Almwirt hat sich zu uns gesetzt und vom Sommer erzählt. Von den vielen heißen Tagen, vom Vieh, das sich im Schatten gedrängt hat. Von den Fliegen und Wespen, ungewöhnlich viele, die den Gästen zugesetzt hätten. Und von den Wanderern aus der Stadt, die nach Aperol Spritzern verlangen und Weißbrot, als wären Bier und Limonade, Speck und selbst gebackenes Brot nicht besser. "Anfang Oktober is es vorbei", sagt der Almwirt und schaut nach oben auf den wolkenlosen Himmel, "da hamma dann vier Monate ka Sun." Vier Monate ohne Sonne! Wie steht man das durch?
Der Wirt lacht und seine Tochter, die in meinem Alter ist, tagsüber die Hütte bewirtschaftet, ausschenkt, serviert und kocht, abends die Kinder ins Bett bringt und im Stall mithilft, jede Woche, jeden Tag ohne Pause, seufzt erleichtert. Vier Monate keine Gäste. Nur Schnee, Schatten und Zeit für sich selbst.
"Endlich a Ruh", sagt sie und sieht müde aus. Ich kann sie verstehen. Auch meine letzten Wochen waren laut und schrill, vollgestopft mit Gesprächen. Urlaub heißt für mich, allein sein dürfen. Ruhe haben. Deshalb zieht es mich auf den Berg. Doch auf der Suche nach Ruhe kann die Stille unerträglich sein. Stille kann Angst machen, bedrohlich werden, befremdlich wirken. Die Stille am anderen Ende der Leitung, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat. Die Stille, die eintritt, wenn der Name eines Toten fällt, den man vermisst. Die ohrenbetäubende Stille der Einsamkeit, die umso lauter hallt, wenn die Stadt sie nicht verschluckt. Die Stille hier am Berg lässt Sorgen, Ängste, Zweifel laut werden, die man in sich trägt. Sie lässt die inneren Dämonen ihre Stimmen erheben. Sie lässt den Schlag des Herzens lautstark in den Ohren widerhallen. Zu hören, dass man lebt, kann unheimlich sein. Und doch beruhigend.
